Bei der Mikrobiologischen Therapie handelt sich um eine Immuntherapie
zur gezielten Modulation des Immunsystems, d.h. das Immunsystem kann gezielt
stimuliert oder supprimiert werden. Mikrobiologische Therapie bedeutet
die Verabreichung lebender und / oder abgetöteter Mikroben, deren
Zellwandbestandteile und / oder deren Stoffwechselprodukte. Da unser Abwehrsystem
mit anderen Regelkreisen wie dem Intestinaltrakt, dem Nerven- und dem
Hormonsystem sowie der Psyche eng verschaltet ist, werden über die
Beeinflussung des gesamten Immunsystems auch die anderen Regelkreise in
unserem Organismus in die Therapie einbezogen. Dadurch behandeln wir nicht
nur die Symptome einer Krankheit sondern den ganzen Menschen und damit
auch die Ursachen, die die Erkrankung ausgelöst haben. Die Mikrobiologische
Therapie ist für mich zu einer Basistherapie zur Behandlung aller
chronischen Zivilisationserkrankungen geworden. Sie ist nebenwirkungsarm,
sie ist einfach durchzuführen. Kinder sprechen besonders gut auf
eine probiotische Behandlung an.
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Geschichtliche Entwicklung der Mikrobiologischen
Therapie
Bereits 1904 berichtete der Engländer Sir Almroth Edward Wright über
Behandlungserfolge mit Autovaccinen, einem Eigensimpfstoff aus Staphylokokkenzur
Sstimulierung des Immunsystems. Er sagte damals schon den bedeutenden
Satz: „Der Arzt der Zukunft wird Immunisator sein“. Diese
Aussage gewinnt erst heute so richtig an Bedeutung, da der Einsatz von
Antibiotika aufgrund von Resistenzbildungen immer öfter an seine
Grenzen stößt. Alfred Nissle erkannte um 1912, dass das Wachstum
pathologischer Darmkeime durch bestimmte Colibakterien in ihrem Wachstum
gehemmt werden konnten. 1922 berichtete der Mediziner Arthur Becker von
Versuchen zur Behandlung von Tuberkulosekranken mit einer Mischvaccine
aus Sputumkeimen. Er befasste sich v.a. mit der Hals- und Atemwegsflora
und entwickelte Injektionsvaccine aus verschiedenen Mikroben.
1954 wurde der „Arbeitskreis für Mikrobiologische Therapie
e.V.“ von mehreren Medizinern um Arthur Becker in Leben gerufen.
Der Arbeitskreis hatte sich zum Ziel gesetzt, kranke Menschen mit physiologischen
Bakterien zu behandeln und damit zu heilen. In dieser Zeit wurde auch
der Begriff „Mikrobiologische Therapie“ geprägt und die
ersten Handelspräparate mit Escherichia coli und Enterokokken entwickelt.
Es gibt inzwischen eine Vielzahl an medizinischen Probiotika, die oral,
percutan oder per injectione angewendet werden können. Folgende Mikroben
werden für die Herstellung von Arzneimitteln verwendet: Escherichia
coli, Lactobazillus sp. Mycobacterium sp. Bacillus cereus, Bacillus sp.,
Bacillus firmus, Bacillus subtilis, Enterococcus faecalis, Mycobacterium
phlei, Mycobacterium sp., Bifidobacterium sp. Branh. catarrhalis, Haem.
influenza, Klebs. pneumoniae, Klebs. ozaeanae, Sc. mitis, Sc. pneumoniae,
Sc. pyogenes, Staphylokokkus aureus, Saccharomyces boulardii (die Angabe
erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit). Darüber hinaus
gibt es noch verschiedene Nahrungsergänzungmittel auf der Basis von
Lactobzillen und Bifidabakterien.
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Zusammenhang zwischen Darm und Immunsystem
Alle Körperoberflächen (Haut und alle Schleimhäute im Intestinal-,
Urogenital- und Respirationstrakt), die ständig mit der Umwelt in
Kontakt sind, werden milliardenfach von Mikroorganismen besiedelt, die
mit uns in symbiontischer Gemeinschaft leben und für uns lebensnotwendig
sind. Diese Symbionten bilden auf Haut und Schleimhaut die erste Barriere
zur Abwehr pathologischer Keime und Parasiten. Insgesamt siedeln über
1014 Mikroorganismen auf unserer Körperoberfläche, das ist ein
Vielfaches mehr als der Mensch Körperzellen besitzt.
Die Haut, in den Medizinbüchern oft als gößtes Organ
bezeichnet, weist eine Oberfläche von 2 bis 2,5 m² auf. Respirationstrakt,
Urogenitaltrakt und Intestinaltrakt können dagegen mit einer Schleimhautoberfläche
von ca. 80 m²; 5 m²; ca. 300 bis 400 m² aufwarten. Die
Schleimhäute dieser Systeme haben sich alle aus dem gleichen Keimblatt,
dem Entoderm entwickelt haben; sie sind sich anatomisch gesehen sehr ähnlich
und hängen immunologisch zusammen.
Eine zentrale Rolle in der Abwehr kommt dem Darm zu. Mit einer Länge
von fast 7 Metern und einer Oberfläche von über 300 m²
ist der Darm unser größtes Immunorgan. In der Darmschleimhaut
findet sich die grösste Ansammlung an Lypmphknoten, die Peyerschen
Plaques. Über 80% der erworbenen Immunität haben ihren Ursprung
im Darm, über das Immunsystem in der Darmschleimhaut wird das gesamte
Immunsystem geprägt.
Der gesamte Intestinaltrakt ist mit Bakterien besiedelt. Abgesehen vom
Nasen-Rachenraum nehmen die Artenvielfalt sowie die Keimzahlen vom Magen
bis zum Dickdarm zu. Allein auf der Darmschleimhaut nisten über 500
verschiedene Arten an pathogenen und nicht-pathogenen Keimen, von denen
nur wenige bis ins Detail erforscht sind. Die Darmflora bildet eine komplexe,
mikroökologische Einheit mit vielfältigen metabolischen Aktivitäten.
Sie kann als eigenständiges Organ betrachtet werden, dass vielfältige
Aufgaben hat.
Aufgaben der Darmflora
· Anregung der Darmmotilität
· Resorption derNährstoffe
· Synthese von B-Vitaminen und Vitamin K
· Reduktion von Nitrosaminen
· Synthese von kurzkettigen Fettsäuren
· Förderung der Durchblutung und des Stoffwechsels der Darmschleimhaut
· Versorgung der Enterozyten mit Nährstoffen und Energie
· Milieustabilisierung durch Synthese von L-(+)-Milchsäure
· Aufbau und Aufrechterhaltung einer mikrobiellen Barriere
· Modulation des darmassoziierten Immunsystems
· Produktion von antibiotisch wirkenden Substanzen
Die milchsäurebildenden Bakterien (Lactobazillen und Bifidobakterien)
produzieren rechtsdrehende Milchsäure, die im Darm ein schwach saures
Milieu erzeugt und aufrecht erhält, wodurch eine übermässige
Vermehrung von pathologischen Fäulniskeimen verhindert werden kann.
Zusammen mit anderen Faktoren wie dem Mucus, dem sekretorischen Immunglobulin
A, dem Lysozym, den antibiotisch wirkenden Stoffen und den Enterozyten,
bilden die Milchsäure-Bakterien, die direkt auf der Darmschleimhaut
siedeln, die erste Barriere zur Abwehr pathologischer Antigene. Sie tragen
somit zur Kolonisationsresistenz im Darm entscheidend bei. Wenn nur eine
dieser Komponenten gestört ist, ist die Kolonisationsresistenz ist
vermindert; pathologische Antigene können die Darmschleimhaut passieren.
Die zweite Barriere, eine immunologische Barriere, bildet das darmassoziierte
Immunsystem, das sog. Mukosa-Immunsystem, die Peyerschen Plaques in der
Mukosa. Damit die immunologische Barriere optimal funktioniert, muß
das Immunsystem ständig trainiert werden. Dies geschieht mit Hilfe
der stark immunogen wirkenden Escherichia coli und Enterokokken, die als
Trainingspartner dienen und über diesen Weg die B-Lymphozyten und
damit das systemische Immunsystem stimulieren.
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Das empfindliche, mikroökologische Gleichgewicht
im Darm kann durch leicht verschiedene exogene und endogene Faktoren gestört
werden, wie z.B. durch:
· Fehl- und Überernährung: Eiweiss– und fettreiche
Nahrung begünstigt die Bildung von Fäulnisbakterien; es komm
zu Gärungs- und Fäulnisprozessen und Bildung von Toxinen und
Gasen.
· Medikamente wie Anitbiotika, Zytostatika, Sulfonamide, Kortikoide
u.a. Immunsuppressiva, Ovulationhemmer und Laxantien
· Hyp- und Anazidität, Leber-, Galle-, Pankreaserkrankungen
· Psychische Faktoren wie Stress
· Pathogene Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten
· Darmerkrankungen wie Obstipation, Divertikulitis / Divertikulose,
Colon irritabile, Colitis ulcerosa, Colon- / Rektumkarzinom, intestinale
Strikturen und Obstruktionen
· Nahrungsmittelallergien- und Unverträglichkeiten
· Umweltfaktoren wie Schwermetallbelastungen
Die Zusammensetzung der Bakterienflora in Dünn- und Dickdarm ist
nicht nur entscheidend für die Verdauung und eine optimale Resorption
der Nährstoffe aus der zugeführten Nahrung, sondern auch für
die Aktivität unseres Immunsystems. Störungen des mikroökologischen
Gleichgewichts führen anfangs zu einer Dysbacterie, mit Verdauungsbeschwerden,
Flatulenzen, Völlegefühl, krampfartigen Bauchschmerzen, Übelkeit,
Erbrechen, und Obstipation bzw. Es kommt zu Leistungs- und Vitalitätsverlust,
später auch zu Fehlsteuerungen im Immunsystem, die zu den verschiedensten,
bis hin zu schweren Erkrankungen führen können.
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Indikationen für eine Mikrobiologische Therapie:
Eine probiotische Behandlung sollte bei folgenden
Erkrankungen zumindest als Basistherapie durchgeführt werden bei:
· Akuten / Chronischen Infekten
· Allgemeiner Abwehrschwäche
· Entzündungen im Mund-, Nasen-, Rachenraum
· Überschiessenden Immunreaktionen
· Hauterkrankungen
· Colon irritabile
· Obstipation / Diarrhoe
· Meteorismus
· Mykosen
· Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
· Systemerkrankungen
· Tumorerkrankungen – in der Nachsorge
· Malabsorption und Stoffwechselstörungen
· Chronischer Müdigkeit
Kontrindikationen:
Kachexie infolge fortgeschrittener Tumorleiden.
Vor der Therapie steht die Diagnose:
Um sich einen Überblick über den Gesundheitszustand unserer
Patienten zu verschaffen, empfehle ich zusätzlich zu einer ausführlichen
Anamnese, einem grossen Blutbild und einer Harnuntersuchung eine Stuhlanalyse
zur Untersuchung der Darmflora, sowie ddie Bestimmung einiger Entzündungsparameter,
der Pankreas-Elastase 1 und des sekretorischen Immunglobulin A aus dem
Stuhl. Entsprechend dem Ergebnis setze ich die Mikrobiologische Therapie
zur umfassenden Behandlung meiner Patienten ein.
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Komponenten der Mikrobiologischen Therapie
Ziel der Mikrobiologischen Therapie ist zum einen die Wiederherstellung
des mikroökologischen Gleichgewichts im Darm, zum anderen die Modulation
des körpereigenen Abwehrsystems über das Mukosa-Immunsystem
in der Darmschleimhaut.
Zur Basistherapie setze ich verschiedene oral anzuwendende Probiotika
ein, die abgetötete und lebende Escherichia coli und Enterokokken
enthalten zur Modulation des Immunsystems. Entsprechend der Erkrankung
des Patienten und des Stuhlbefundes verordne ich begleitend die milchsäurebildenden
Bakterien zu Stabilisierung eines schwach sauren Darmmilieus und zur Aufrechterhaltung
der mikrobiellen Barriere. Je nach Art, Schwere und Dauer der Erkrankung
meiner Patienten führe ich eine Therapieintensivierung durch mit
den Autovaccinen, die aus der patienteneigenen Darmflora hergestellt werden.
Eine Mikrobiologische Therapie erstreckt sich bei chronischen Erkrankungen
im Allgemeinen über vier bis sechs Monate, kann aber auch über
ein- bis zwei Jahre verlaufen. Die verschiedenen Mikroorganismen wirken
entweder stimulierend oder leicht suppressiv auf die Abwehrzellen; sie
ergänzen sich und bewirken gemeinsam die Regulation des Immunsystems.
Zusammenfassung:
Nur ein gesunder Darm kann uns die Lebenskraft und die Energie geben,
die wir im Alltag so dringend benötigen. Ein kranker Darm führt
zu einem reduzierten Wohlbefinden und zu Krankheit. Die wichtigste Aufgabe
neben Verdauung, Resorption, und Ausscheidung ist die immunologische Abwehr
pathologischer Antigene. Über 80 % unseres Immunsystems sind im Darm
angesiedelt. Eine gut funktionierende Abwehr ist aber vom Zustand der
Darmschleimhaut und der Darmflora abhängig. Durch Fehl- und Überernährung
sowie durch Medikamente (v.a. Antibiotika) wird häufig die physiologische
Darmflora zerstört und die Darmschleimhaut geschädigt. Es resultieren
Dysfunktionen des Darms, Abwehrschwäche und die Ausbreitung pathologischer
Bakterien, Pilzen und Parasiten. Es können dyspeptische Beschwerden,
Vitamin- und Mineralstoffmangel, Malabsorption und andere Symptome auftreten.
Auch die Entstehung von chronischen Krankheiten, Allergien und Krebs wird
begünstigt. Da sich die Schleimhäute von Intestinal-, Urogenital-
und Respirationstrakt aus dem gleichen Keimblatt entwickelt haben, hängen
sie auch immunologisch zusammen. Daher ist auch die Ursache rezidivierender
Infekte und Allergien oft in einem geschwächten, schlecht funktionierenden
Darm zu suchen.
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Über die Stärkung des Mukosa-Immunsystems regen wir die Selbstheilungskräfte
im Körper an, die physiologische Darmflora wird stabilisiert, die
endogenen Belastungen aus dem Intestinaltrakt gesenkt sowie der Aufschluss
der Nahrung und die Resortionleistung der Darms erhöht.
Die Mikrobiologische Therapie kann auch bei Tieren, z.B. Hunden, Katzen
und Pferden angewendet werden.
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